Wild auf Wanderschaft – Verlust von Wossia


Durch einen Unfall kam es zum Verlust des im Frühjahr 2025 an den Wostewitzer Teichen besenderten Alttieres mit der Projektnummer 52 – „Wossia“.

Das wildbiologisch zwingend erforderliche und wissenschaftlich begleitete Forschungsprojekt „Wild auf Wanderschaft“ des Jagdverbandes Rügen und Hiddensee e.V. hat dadurch einen Rückschlag erlitten.

Dieser Verlust verdeutlicht, welchen Einfluss menschliches Handeln auf Wildtiere hat. Er bedeutet jedoch nicht, dass die Nutzung und Entwicklung des ländlichen Raumes grundsätzlich infrage gestellt wird. Vielmehr ist eine Entwicklung notwendig, um den ländlichen Raum als Wohn- und Arbeitsumfeld zu sichern. Entscheidend ist jedoch, dass diese Entwicklung stets unter Berücksichtigung der Ansprüche der Wildtiere erfolgt.

Der bedauerliche Verlust macht deutlich, wie zwingend erforderlich ein dauerhaftes und regelmäßig aktualisiertes Wildtiermonitoring ist. Nur so können belastbare Daten und Informationen gewonnen werden, die sowohl der nachhaltigen Nutzung von Wildtieren als auch der Konfliktminderung in unserer Kulturlandschaft dienen.

Mit „Wossia“ verlieren wir ein Tier, das für uns rund um die Uhr wertvolle Daten gesammelt hat – eine Arbeit, die in diesem Umfang durch uns Menschen nicht leistbar wäre. Der Unfall verdeutlicht zudem den hohen Einfluss solcher Ereignisse auf Wildtierpopulationen in intensiv genutzten Kulturlandschaften. Bezogen auf die derzeitige Zahl der besenderten Rotwildtiere auf Rügen bedeutet dies rechnerisch, dass rund 20 % der Datenträger durch Unfälle verloren gehen.

Die bisherigen Daten zeigen außerdem, dass auch ältere Wildtiere, die vermeintlich an wiederkehrende Umwelteinflüsse angepasst sein müssten, nicht frei von Konflikten mit menschlicher Nutzung sind. Wossia überquerte regelmäßig Bahnanlagen und Straßen und hielt sich häufig in der Nähe von Siedlungen, Gewerbeflächen und anderen Bebauungen auf. Gleichzeitig mied sie Flächen, in denen ein direktes Aufeinandertreffen zwischen Wildtier und Mensch wahrscheinlich gewesen wäre.

Ihre Raumnutzung verdeutlicht, wie wichtig störungsarme Landschaftsräume sind. Besonders eindrucksvoll ist, dass Wossia in einer Phase intensiver menschlicher Landnutzung über Wochen hinweg einen Lebensraum von lediglich 400 x 600 m nutzte. Zudem zeigen die Daten, dass ein unmittelbar angrenzender Radweg (Küstenradweg) bis auf wenige Ausnahmen nicht überquert wurde und sie stets einen Abstand von mindestens 100 m einhielt.

In den nächsten Tagen werden sämtliche gewonnenen Daten aus dem GPS-Halsband ausgelesen und gemeinsam mit den beteiligten Wildbiologen ausgewertet. Ziel ist es, den exakten Unfallzeitpunkt und -ort zu bestimmen und diese Informationen mit weiteren Umweltfaktoren abzugleichen, um mögliche Konfliktschwerpunkte im Sommerlebensraum – zugleich Kinderstube – des Rotwildes zu identifizieren.

Anhand der Verletzungen kann ein direkter Einfluss des Wolfes als Ursache ausgeschlossen werden. Auch bei der Bergung des GPS-Halsbandes fanden sich keine Spuren von Prädatoren oder Aasfressern.

Der Jagdverband Rügen und Hiddensee bedankt sich ausdrücklich bei der Jägerschaft der Halbinsel Jasmund für die spontane Bereitschaft, Reviere für eine sofortige Nachbesenderung weiterer Stücke zur Verfügung zu stellen.

Wir nehmen den Verlust zum Anlass, verstärkt um logistische, räumliche und vor allem finanzielle Unterstützung für das Projekt Wild auf Wanderschaft zu werben. Unterstützer können Patenschaften übernehmen. Je nach Umfang der Zuwendung besteht für Rotwildpaten die Möglichkeit, den Namen eines besenderten Tieres selbst zu bestimmen.

Nur wenn es uns – den Menschen, die hier beheimatet sind und Verantwortung für unsere Heimat tragen – gelingt, fortlaufend und räumlich verteilt mehrere Stücke Rotwild, die Leitart des terrestrischen Lebensraumes auf den Inseln, mit GPS-Sendern auszustatten, können wir langfristig konfliktarme Lösungen und ein störungsarmes Nebeneinander aller Nutzer erreichen.

Ein dauerhaftes Wildtiermonitoring wird es ermöglichen,

  • sach- und fachgerecht in Entwicklungs- und Veränderungsprozesse des ländlichen Raums einzugreifen,
  • ein dem Lebensraumpotenzial entsprechendes Jagdmanagement zu entwickeln,
  • sich qualifiziert in raumbedeutsame Planungen (Straßenbau, Windkraft, Bebauung, Photovoltaik u. a.) einzubringen und
  • auf einer fundierten Wissensbasis den Dialog über die Zukunft des ländlichen Raums zu führen.

Dies ist eine Aufgabe der Jägerschaft unserer Inseln. Wir müssen das Monitoring der uns anvertrauten Wildtiere endlich eigenständig, wissenschaftlich fundiert und dauerhaft übernehmen. Andernfalls werden weiterhin Dritte, die oftmals keinen Bezug zu unserer Heimat haben, über unsere Wildtiere entscheiden.